Bedarfsstudie für einen Studiengang
„Nachhaltigkeitsmanagement“ an der Hochschule für
Nachhaltige Entwicklung (FH) in
Eberswalde
Mit den NH Verantwortlichen für
die 10 Mit den NH
Verantwortlichen des
UC
Campuses im Presidents Office in Oakland Sustainability
Office an der UC San Diego
Auftraggeber:
Hochschule für Nachhaltige
Entwicklung Eberswalde (FH)
Prof. Dr. Jens Pape
Dekan
Fachbereich
Landschaftsnutzung & Naturschutz
Fachgebiet
Unternehmensführung in der Agrarwirtschaft
Friedrich-Ebert-Str.
28
16225 Eberswalde
Bearbeitung:
Prof.
Dr. Peter Schmuck
Gleyeweg
75
10318
Berlin
Mitglied
des Interdisziplinären Zentrums für Nachhaltige Entwicklung
Universität
Göttingen
Berlin,
im Mai 2012
Gliederung der Studie
1 Hintergrund und Anlaß der Studie
3
2 Interviewstudie
3
3 Internetrecherchen bezüglich
vergleichbarer Studiengänge
im
Ausland 17
4 Erfahrungen einer Reise nach
Kalifornien: 19
Nachhaltigkeitsaktivitäten an der Stanford University,
der
University of Redlands sowie neun „Universities of California“
in
Berkeley, Davis, Merced, Los Angeles, Irvine, Riverside,
San Diego, Santa Cruz und Santa
Barbara
5 Empfehlungen 28
Literatur 32
1 Hintergrund und Anlaß
der Studie
Das
Anliegen der Studie besteht im Kern darin, einen an der HNEE geplanten
Masterstudiengang „Nachhaltigkeitsmanagement“ mit Experten der deutschen
Grossindustrie, von KMUs, Beratungsunternehmen, NGOs und Verbänden auf Passung
mit den aktuellen Anforderungen in Praxisbezügen zu überprüfen und Empfehlungen
für die Optimierung der Passung zu erarbeiten. Bereits im Jahr 2007 haben der
Autor, Benjamin Nölting und weitere Beteiligte die Grundstruktur des
Studienganges erarbeitet und Frau Breitzke, Diplomandin an der TU Berlin hat
eine erste Bedarfsanalyse angefertigt (Breitzke, 2007), indem sie
NachhaltigkeitsmanagerInnen von 10 Großunternehmen Deutschlands interviewte.
Auf diese Analyse baut die vorliegende Studie auf und ergänzt sie um sechs
entsprechende Interviews mit
VertreterInnen weiterer gesellschaftlicher Gruppen. Zusätzlich werden
Erfahrungen einer Reise des Autors im März 2012 zu
Nachhaltigkeitsverantwortlichen an 11 kalifornischen Universitäten berichtet
und eine kursorische Analyse von ähnlichen ausländischen Studiengängen
vorgestellt (für deutschsprachige Angebote hat Nico Schäpke eine Analyse
durchgeführt). Aus diesen Kontextinformationen werden am Schluß des Berichtes
Empfehlungen für die Optimierung der weiteren Entwicklung des Studienganges
abgeleitet.
2 Interviewstudie
2.1 Problemlage und Fragestellung
Es
liegen bislang keine entsprechenden Bedarfsstudien für den geplanten
Studiengang vor. Deshalb werden in der vorliegenden Arbeit
Nachhaltigkeitsverantwortliche deutscher Unternehmen, Organisationen, Verbände
und Beratungsunternehmen gefragt, was sie von der Idee eines solchen
Studienganges halten. Darüber hinaus wird der Fokus der Befragung auch auf Nachhaltigkeit selbst sowie Nachhaltigkeits-Management
gerichtet, um einen Eindruck von der Breite der Verständnismuster zu erhalten.
Dann wird auch nach den Einschätzungen zu dem Berufs- und Persönlichkeitsprofil
von „Nachhaltigkeits-Manager/innen“ gefragt, um die Erwartungen der
Praxisexperten auch hierzu abbilden zu können.
2.2 Methode
Bei der vorliegenden Fragestellung handelt es sich um
wissenschaftliches Neuland, so dass ein qualitatives Herangehen an die Thematik
erforderlich ist. Als Erhebungsmethode wurde daher das problemzentrierte
Interview nach Witzel (2000) mit seinem Zusammenspiel aus zum Erzählen
auffordernden und nachfragenden Momenten gewählt. Die Auswertung der
transkribierten Interviews erfolgte mittels der zusammenfassenden qualitativen
Inhaltsanalyse nach Mayring (2000), einer methodisch kontrollierten
Analysemethode mit zusammenfassender Kategorienbildung, welche das Material in
seinem Kommunikationszusammenhang betrachtet. Durch die Auswertungstechnik der qualitativen
Zusammenfassung mit Kategorienbildung wird das Material reduziert und
gleichzeitig werden die wesentlichen
Inhalte des Materials abgebildet (Mayring, 2002).
Weiter
wurde ein Interviewleitfaden entwickelt, indem die drei zu analysierenden Bereiche
mit einzelnen Fragen untersetzt wurden:
Fokus:
Nachhaltigkeits-Management im Unternehmen
·
Was verstehen Sie unter
Nachhaltigkeits-Management?
·
Wie schätzen Sie den derzeitigen
Entwicklungsstand Ihres Unternehmens in Sachen Nachhaltigkeit ein? Welche
Erfolge sehen Sie (Best-Practice-Beispiele)?
·
Welche Probleme und Herausforderungen
gibt es?
·
Welches Modell der Nachhaltigkeit
repräsentiert Ihr Unternehmen zur Zeit?
Fokus:
Berufs- und Persönlichkeitsprofil „Nachhaltigkeits-Manager/in“
·
Welches sind Ihrer Meinung nach die
wichtigsten Kernkompetenzen eines/r Nachhaltigkeits-Managers/in?
·
Welches sind die wichtigsten
Haupttätigkeiten im Nachhaltigkeits-Management?
·
Nach welchen Kriterien wurden Nachwuchs-
und Führungskräfte für den Bereich Nachhaltigkeits-Management bisher
ausgewählt? Gibt es für die Mitarbeiter im Nachhaltigkeits-Management
Stellenaus- und/oder -beschreibungen?
·
Welchen beruflichen Hintergrund und
welche Vorkenntnisse halten Sie für wünschenswert?
Fokus:
Akademische Ausbildung
·
Wie finden Sie die Idee eines
Master-Studiums „Nachhaltigkeits-Management“?
·
Welche Inhalte sollten im Rahmen eines
solchen Studienganges vermittelt werden? (ggfs. Entwurf der Studieninhalte
einsetzen: Haben Sie Anmerkungen oder Ergänzungen zu dem momentan geplanten
Studienaufbau?)
·
Halten Sie den Studiengang für Mitarbeiter
Ihres Unternehmens für interessant?
·
Würden Sie bevorzugt Personen
einstellen, die diese Qualifikation erworben haben?
Bei
Auswahl der Gesprächspartner wurde eine möglichst breite Auswahl von
Gesprächspartnern angezielt, um den Ausbildungsbedarf für die unterschiedlichen
relevanten Gruppen in der Gesellschaft einschätzen zu können. In der folgenden Tabelle findet sich eine Übersicht der Befragten nach
Branchen und Interviewform
Befragte
Unternehmen/Organisationen |
Branche |
Form
des Interviews |
Allianz
AG |
Finanzen/Versicherungen |
Persönliches
Interview |
BASF
AG |
Chemie/Pharma |
Telefoninterview |
Robert
Bosch GmbH |
Elektronik/Hightech |
Persönliches
Interview |
Degussa GmbH |
Chemie/Pharma |
Persönliches
Interview |
E.ON
AG |
Energie |
Persönliches
Interview |
HeidelbergCement
AG |
Baustoffe |
Telefoninterview |
Lufthansa
AG |
Transport/Tourismus |
Persönliches Interview |
Siemens
AG |
Elektronik/Hightech |
Persönliches Interview |
RWE
AG |
Energie |
Persönliches Interview |
ThyssenKrupp
AG |
Stahl |
Persönliches Interview |
ICLEI, Local Governments for Sustainability,
European Secretariat Freiburg |
Beratung
Nachhaltigkeit für „local governments“ |
Persönliches Interview |
PCI, Performance
Consultance International |
Unternehmensberatung |
Persönliches Interview |
WWF |
NGO |
Telefoninterview |
PWC Pricewaterhouse Coopers
WPG |
Unternehmensberatung |
Persönliches Interview |
JUWI |
KMU |
Telefoninterview |
VNU, Verband für
nachhaltiges Umweltmanagement e.V. |
Verband |
Persönliches Interview |
2.3 Ergebnisse
Die
Befunde der Befragung werden im Folgenden knapp und tabellarisch dargestellt.
Die Antwortkategorien mit mehr als einer Nennung werden für jede Frage
aufgelistet und die Zahl der Nennungen genannt, damit ein Eindruck von der
Verbreitung des jeweiligen Arguments unter den befragten ExpertInnen möglich
wird. Einige der Befragten, die überwiegend beratend für andere Unternehmen
tätig sind, wurden zusätzlich zum Blick auf die eigene Organisation auch
gefragt, wie sie die Perspektive der von ihnen Beratenen wahrnehmen (also bei
Frage von 2.3.1 wurde gefragt: Was verstehen die von Ihnen beratenen
Unternehmen unter Nachhaltigkeitsmanagement?).
Die Antworten waren nicht sehr ergiebig, weil sie sich meist in der
allgemeinen Aussage erschöpften, dass aufgrund der Vielfalt der Beratenen hierzu
keine Antwort möglich sei. Daher werden die Antworten zu dieser Perspektive nur
dort im Fließtext nach den Tabellen angefügt, wo substantielle Aussagen
aufschienen.
2.3.1
Fokus: Nachhaltigkeits-Management im Unternehmen
Was verstehen Sie unter
Nachhaltigkeits-Management?
Verständnis
von Nachhaltigkeits-Management |
Nennungen |
·
Nachhaltigkeit soll jedem bekannt
sein, von allen gelebt werden und einen integralen Bestandteil jeden
Arbeitsschrittes darstellen |
9 |
·
Bewertung von
unternehmensspezifischen Aspekten, einschl. der Auswirkungen, auf allen drei
Nachhaltigkeitsdimensionen ·
Schwerpunkt auf der ökologischen
Perspektive |
6 3 |
·
Unternehmenswert bzw. -leitlinie ·
Strategisch definierte
Handlungsfelder |
2 4 |
·
Nachhaltigkeits-Management als |
|
·
Nachhaltigkeits-Management
erfordert: |
|
Es fällt auf, dass bei den
Befragten kein einheitliches Verständnismuster vorliegt und kaum direkte
Definitionsansätze genannt werden.
Wie schätzen Sie den derzeitigen
Entwicklungsstand Ihres Unternehmens in Sachen Nachhaltigkeit ein?
Entwicklungsstand
des Unternehmens |
Nennungen |
·
Unternehmen macht viel und hat
nicht mehr viel Potenzial für weitere Entwicklungen im
Nachhaltigkeits-Management ·
Unternehmen befindet momentan in
einem Veränderungsprozess, es gibt „Luft nach oben“ |
2 3 |
·
Positive Aussagen zum
Entwicklungsstand: |
|
Die
Antworten zu dieser Frage lassen erkennen, dass keine durchgängigen
Erfolgsmuster berichtet werden, was auf einen sehr unterschiedlichen und im Durchschnitt noch wenig elaborierten
Stand schließen läßt. Die befragten BeraterInnen gaben zum Entwicklungsstand der
beratenen Unternehmen ebenfalls an, dass dieser sehr unterschiedlich oder gar
nicht überprüfbar ist , dass CSR Konzepte nur ein Anfang, aber häufig nur
Alibifunktionen sind.
Welche Erfolge sehen Sie ?
Erfolge des
Nachhaltigkeits-Managements |
Nennungen |
·
Finanzielle Investitionen der
Unternehmen von Kooperationen zur Nachwuchs-, Bildungs- oder
Forschungsförderung |
7 |
·
Freiwillige
Mitarbeiterinitiativen in Form von gesellschaftlichem Engagement oder Spenden |
4 |
·
Praktische und finanzielle
Förderung der Unternehmen von Umwelt-, Kultur- oder Sozialprojekten |
3 |
·
Schaffung von Win-Win-Situationen |
3 |
·
Verortung von
Nachhaltigkeitsthemen in den Zielvereinbarungen |
2 |
·
Strategische Schwerpunktanalyse
und transparente Nachhaltigkeitsziele |
3 |
·
Erfolgsbeispiele: |
|
Folgende Einzelnennungen bezüglich der
Erfolgsbeispiele wurden angeführt: Einrichtung behindertengerechter Eingänge / Altersgerechte
Mitarbeiter-Fort- und Weiterbildungen / Senkung der Unfallhäufigkeit / Betreibung
eines ersten Kraftwerks auf Geothermie-Basis / Stakeholder-Transparenz durch
extern komplett verifizierte Berichterstattung / Stakeholder-Dialoge / Projekte
zur Standort-Rekultivierung / Begriffsetablierung „Zukunftsvorsorge“ / Politische
Vernetzung und Einflussnahme / Kantine mit regionalen Bioprodukten /
Dienstreisen Priorität Bahn / bei Flügen Klimakompensationsmaßnahmen.
Insgesamt lassen die Antworten zu dieser
Frage erkennen, dass an vielen einzelnen Stellen, vor allem im direkten Umfeld
der Unternehmen, Erfolge erzielt werden, dass aber die globalen Aspekte nur
marginal berührt werden.
Welche Probleme und
Herausforderungen gibt es?
Herausforderungen
beim Nachhaltigkeits-Management |
Nennungen |
·
Schaffung eines nachhaltigen
Bewusstseins und Verständnisses bei Mitarbeitern und Unternehmensführung |
5 |
·
Komplexität und Abstraktheit des
Nachhaltigkeitsbegriffes ·
Komplexität, Vielfältigkeit und
Internationalität der Großunternehmen |
4 5 |
·
Frage der Wirtschaftlichkeit oder
Kosten-Nutzen-Rechnung bei nachhaltigen Entscheidungen |
4 |
·
Controlling-Schwierigkeiten (d.h.
Datenvalidität, die richtigen Indikatoren finden und das Fehlen eines
Nachhaltigkeits-Management-Systems) |
4 |
·
Gefahr des Greenwashing: Gefühlte
Diskrepanz zwischen der Bedeutung oder dem Umfang der nachhaltigen Aktivitäten
und der Außendarstellung |
5 |
·
Sonstige Herausforderungen: |
3 3 |
Hier fällt die große Bandbreite von
berichteten Hindernissen auf. Die BeraterInnen verwiesen zusätzlich auf
spezielle Probleme: Die plakative und teilweise irreführende Verwendung des
Begriffs Nachhaltigkeit führt zur Gefahr der Verwaschung des Begriffes,
einheitliches Monitoring ist in Städten nicht möglich, die Rollenverteilung in
der Nachhaltigkeitstransformation ist in der Gesellschaft weitgehend unbekannt.
Welches Modell der Nachhaltigkeit
repräsentiert Ihr Unternehmen zur Zeit?
Nachhaltigkeits-Modell
des Unternehmens |
Nennungen |
·
Brundtland-Definition |
3 |
·
3-Säulen-Modell ·
Eingeschränkte Zustimmung zum
3-Säulen-Modell ·
Ein auf 5 Säulen erweitertes
unternehmensspezifisches Modell |
4 3 2 |
·
Keine Gleichgewichtung der 3
Säulen, sondern unternehmens-individuelle Priorisierung der Einzelbereiche |
3 |
·
Uneinheitliche Definitionen und
Interpretationen des Nachhaltigkeits-Begriffes als Schwachstelle ·
Verwendung von
Zukunftsvorsorge/Langfristigkeit als Begriff im Unternehmen |
5 2 |
·
Sonstige Aussagen: -Ressourcen-Sparen
ist zentral |
2 |
Es scheint recht unterschiedliche,
aber auch insgesamt nur sehr allgemeine Verständnismuster bezüglich
Nachhaltigkeit zu geben. Die in der Fachliteratur geführte weit
differenziertere Diskussion, z.B. zu „starker“ vs. „schwacher“ Nachhaltigkeit
findet sich in den Aussagen der Experten nicht widergespiegelt.
Ein befragter Berater stellte den
Bezugsrahmen der Frage infrage und hält eine „systemische Sicht“ besser als
jedes „Modell“, welches zu „Schubkastendenken“ verleitet.
Die Berater berichteten weiter,
dass das Verständnis von Nachhaltigkeit bei den Beratenen äußerst vielfältig
ist.
2.3.2
Fokus: Berufs- und Persönlichkeitsprofil „Nachhaltigkeits-Manager/in“
Welches sind Ihrer Meinung nach die
wichtigsten Kernkompetenzen eines/r Nachhaltigkeits-Managers/in?
Kernkompetenzen
eines Nachhaltigkeits-Managers |
Nennungen |
·
Soft Skills und
persönlichkeitsbezogene Kompetenzen: und
Präsentation |
9
|
·
Arbeitsbezogene Kompetenzen: |
2 |
·
Wissen: |
|
·
Verständnis von ethischen, sozialen und Umwelt-Fragen |
4 |
Soziale und
Kommunikationsfähigkeiten sowie multiperspektivisches Denkvermögen und breit
angelegtes Wissen werden mit großem Abstand am Häufigsten genannt. Dies
bekräftigt in direkter Weise die aktuelle Konzeption unseres Studienganges, in
der diese Aspekte besonders betont sind. Berater benötigen nach eigener
Einschätzung noch mehr Detail- und Hintergrundwissen, z.B. zu Tendenzen in
Politik und Gesetzgebung.
Welches sind die wichtigsten
Haupttätigkeiten im Nachhaltigkeits-Management?
Haupttätigkeiten
von Nachhaltigkeits-Managern |
Nennungen |
·
Kommunikation, unternehmensintern
und nach aussen ·
Lobbyarbeit, Networking |
11 |
·
Strategie und Prozesse,
Zielbildung ·
Sensoring bzw. aktive Suche nach
Verbesserungspotenzialen ·
Reporting und Controlling |
6 5 4 |
Tab.
6-10: Ergebnisübersicht zur Unterkategorie B_2
Kommunikationstätigkeiten bilden
nach den Aussagen der Befragten mit Abstand den Schwerpunkt der Tätigkeiten im
Nachhaltigkeitsmanagement. Die Berater führen darüber hinaus Trainings und
Schulungen durch und betonen die Notwendigkeit, andere Personen für
Nachhaltigkeit zu motivieren.
Nach welchen Kriterien wurden
Nachwuchs- und Führungskräfte für den Bereich Nachhaltigkeits-Management bisher
ausgewählt? Gibt es für die Mitarbeiter im Nachhaltigkeits-Management
Stellenaus- und/oder -beschreibungen?
Personalauswahlkriterien
des Unternehmens |
Nennungen |
·
Keine spezifischen Kriterien ·
Kriterien variieren bzw. sind
aufgabenspezifisch unterschiedlich |
6 5 |
·
Persönlichkeitseigenschaften
ausschlaggebend wie z.B. Kommunikativität, soziale Intelligenz, Gesunder
Menschenverstand, Einsatzbereitschaft ·
Werkserfahrung, fachliche
Vorerfahrung |
4 3 |
Es
scheint zur Zeit noch keinen Konsens bezüglich der Auswahlkriterien bei der
Einstellung von NachhaltigkeitsmanagerInnen zu geben.
Welchen beruflichen Hintergrund und
welche Vorkenntnisse halten Sie für wünschenswert?
Wünschenswerte
berufliche Hintergründe und Vorkenntnisse |
Nennungen |
·
Keine spezifischen Vorkenntnisse
erforderlich bzw. nicht so relevant ·
Stellenspezifische Vorkenntnisse,
Unternehmens- oder Werkserfahrung |
5 7 |
·
Ingenieurswissenschaftlicher
Background ·
Naturwissenschaftlicher
Background |
3 |
Auch hier deutet sich bei den
befragten Experten kein Konsens an. Berater betonten neben den genannten
Aspekten Erfahrungen mit international tätigen Organisationen bzw. Unternehmen.
2.3.4
Fokus: Akademische Ausbildung
Wie finden Sie die Idee eines
Master-Studiums „Nachhaltigkeits-Management“?
Einschätzung
der Studiengang-Idee |
Nennungen |
·
Positive Einschätzungen:
ist aus vielfältigen Gründen
vorhanden |
|
·
Einschränkende Einschätzungen: -
Ausbildung ohne Praxisbezug und –vorerfahrung -> Gefahr, dass Absolventen keinen Job finden |
4 2 |
·
Offene Frage der optimalen
Zielgruppenbreite |
2 |
Hier
darf konstatiert werden, dass die Idee unseres Studienganges auf breite
Zustimmung stößt.
Welche Inhalte sollten im Rahmen
eines solchen Studienganges vermittelt werden? (hier wurde der Entwurf des
Studienkonzeptes vorgelegt und nach Anmerkungen oder Ergänzungen zu dem
momentan geplanten Studienaufbau gefragt)
Empfohlene
Studieninhalte |
Nennungen |
·
1. Säule: Ökonomie und
Controlling ·
2. Säule: Ökologie ·
3. Säule: Soziales |
11 4 |
·
Sonstige Fachthemen: |
3 |
·
Nachhaltigkeitsmanagement: |
|
·
Soft Skills: und
Präsentation |
3 |
·
Best Practice-Analysen und Case Studies |
6 |
·
Praxisarbeit: |
|
·
Sonstige Inhalte: |
|
Es fällt auf, dass alle
vorgeschlagenen Inhalte des Studienganges von zumindest einem Teil der
Befragten als wesentlich empfohlen werden. Kommunikations- und
Vernetzungsthemen werden am häufigsten genannt, übertroffen nur noch von
ökonomischen Aspekten, was bei der Zusammensetzung der Stichprobe (10 von 15
Befragten aus der Großindustrie) nicht verwundern kann. Folgende Inhalte wurden
in Einzelnennungen als in dem Konzept klar erkennbar, aber wesentlich benannt: Die Thematisierung der
Glaubwürdigkeit und inflationären Verwendung des Nachhaltigkeitsbegriffes, die
Verwaltungsperspektive, Ressourceneffizienz, „Supply change management“,
Rohstoffstrategien. Partizipation und Beteiligung sollten als Querschnittsthema
des Studiums von Beginn an thematisiert werden. Diese Aspekte sollten bei der
Überarbeitung des Studiengangskonzepts genau reflektiert werden.
Halten Sie den Studiengang für
Mitarbeiter Ihres Unternehmens für interessant? Würden Sie bevorzugt Personen
einstellen, die diese Qualifikation erworben haben?
Unternehmens-Interesse
und Einstellungsbevorzugung |
Nennungen |
·
Unternehmens-Interesse, dass
Mitarbeiter das Studium machen: |
|
·
Einstellungsbevorzugung von
Nachhaltigkeits-Absolventen: -
Ja, wenn weitere Einstellungskriterien passen, z.B. soft skills und Praxiserfahrungen vorhanden sind |
5 |
Auch hier lassen die Antworten
erkennen, dass die breite Mehrheit der Befragten dem Studienkonzept in seiner
vorliegenden Form zutraut, einen substantiellen Beitrag bei der Ausbildung im
Nachhaltigkeitsmanagement zu leisten.
3 Internetrecherchen bezüglich
vergleichbarer Studiengänge im Ausland
Es
folgen einige Kurzbeschreibungen von ausländischen Studiengängen mit explizit
genannter Nachhaltigkeitsthematik, welche die Wahrnehmung der potentiellen
Stärken und Alleinstellungsmerkmale des
an der HNEE geplanten Studienganges erleichtern können.
3.1 University of
Massachusetts, Master of Science in Sustainability Science
http://eco.umass.edu/degree-programs/sustainability-science/
Das Kernprogramm beinhaltet: Perspektiven
der Nachhaltigkeit; Ökologische Systeme: Landschaftsökologie, Landnutzung und
Wasserbewirtschaftung, Umwelt, Bevölkerung; Urbane und soziale Systeme; Ökonomie
und Politik von Nachhaltigkeit.
Später kann gewählt werden zwischen:
(1) Umweltqualität : Krankheiten, Luftverschmutzung und -qualität,
Risikobewertung und -management, soziale Gerechtigkeit, (2) Nachhaltige
Ernährung und Landwirtschaft (global), (3) Hydrogeologie und Klimawandel
(Konflikte), (4) Städtische Nachhaltigkeit: nachhaltiges Bauen,
Stadtentwicklung, -ökologie, Energiespeicherung. Ein Praktikum bezüglich eines
Vertiefungsbereiches ist zu erbringen.
3.2 Lund University, Master of
Science
http://www.lunduniversity.lu.se/o.o.i.s?id=24725&lukas_id=XAESS&overview=programme
In den Grundkursen werden Grundlagen
der Nachhaltigkeit vermittelt: Zusammenhänge zwischen anthropogenen und
natürlichen Systemen; Betrachtung von Klimawandel, Ernährungssicherheit,
Verfügbarkeit von Wasser, Gesundheit, Überfischung, Bewirtschaftung der Meere,
Landnutzung, Populationsentwicklung und Wasser-/Nährstoffkreisläufe;
Verknüpfung mit sozialen und politischen Aspekten; sozialer Wandel: Wirtschaft,
Umwelt, Gesellschaft; Nachhaltigkeitswissenschaft: Wechselwirkungen,
Lösungsansätze, fehlende Nachhaltigkeit; Umweltpolitik (ökolog.
Nachhaltigkeit): Verständnis von politischen, administrativen und rechtlichen
Verfahren; Wirtschaftliche Entwicklung; Umwelt und Gesundheit: d.h.
Zusammenhänge zwischen Umweltverschmutzung, Gesundheit, Ökosystemen in Bezug
auf die Nachhaltigkeit; Methoden und „Werkzeuge“ für Umwelt- und
Nachhaltigkeitswissenschaft entwickeln und anwenden.
Eine Vertiefung in den Bereichen Energie,
Verkehr, Industrie, Wasser, Landwirtschaft oder urbane Systeme ist möglich. Das
Studium schließt mit der Masterarbeit ab.
3.3 University of Tokyo, Master of
Sustainability Science
http://www.sustainability.k.u-tokyo.ac.jp/curriculum/index_e.html
Das Programm
besteht aus „Knowledge and Concept Oriented Courses“ und Praxis. In den Kernfächern stellt man sich
den Problemen und entwickelt ganzheitliche Denkweisen. Grundlagen der
Nachhaltigkeit werden fokussiert und die Aspekte einer regionalen und globalen Nachhaltigkeit
abgehandelt. Ebenfalls besteht die Möglichkeit zwischen natur- und
geisteswissenschaftlichen Fächern zu wählen. In Experimenten und praktischen
Übungen werden in Bezug auf Nachhaltigkeit verschiedene Fähigkeiten erworben
(systematisches Denken, Beurteilung der Lage, Perspektiven). Das Studium wird
mit einer Masterarbeit abgeschlossen.
3.4 University of
Southern Queensland, Master
of Sustainability Science
http://www.usq.edu.au/handbook/current/sci/MSSC.html#programprogram.completion.reqs
Die Kernfächer fokussieren: Umwelt,
Gesellschaft und Nachhaltigkeit; Werkzeuge für eine nachhaltige Entwicklung in
Politik, Wirtschaft und privaten Haushalten; Umweltpolitik; ökologische
Konzepte und Prinzipien für eine nachhaltige Bewirtschaftung der Umwelt;
Biodiversität. Das Programm der Vertiefung bietet an: Natur; und Artenschutz; nachhaltige
Ressourcennutzung; GIS; Bodenkunde; Umweltrecht; Management - Aspekte:
Logistik, Nachhaltigkeitsmanagement; Beratung und Entwicklung; Unternehmen und
nachhaltige Entwicklung; ökonomische Theorien (Ökonomie, Politik)
3.5 Maastricht
University, Master of Sustainability Science and Policy
http://www.icis.unimaas.info/education/master-program/
Die Kernfächer beinhalten: Grundlagen
einer nachhaltigen Entwicklung; Globale Dynamik der nachhaltigen Entwicklung:
Globalisierung, globale Prozesse und Nachhaltigkeit, kulturelle Perspektiven;
Politik für nachhaltige Entwicklung; Nachhaltigkeit, Rechts; und
Wirtschaftsverordnung; „Wissensproduktion“ für nachhaltige Entwicklung:
gesellschaftliche Systeme, Analyse ihrer ökonomischen, ökologischen, sozialen,
technologischen und institutionellen Aspekte; Wechselwirkung zwischen Mensch
und Umwelt, Problemlösung im Zusammenhang mit politischen Kompromissen und
Unsicherheiten; Methoden und „Werkzeuge“: Nachhaltigkeitsbewertung für
politische Entscheidungsfindung; Entwicklung von Szenarien →
Projektarbeit. Das Studium schließt mit der Masterarbeit ab.
3.6 Aalborg University, Master of
Science: Environmental Management and Sustainability Science
http://www.environmentalmanagement.aau.dk/programme/projects.php
Zu Beginn des Studiums werden
Grundlagen vermittelt und eine Projektarbeit sowie
Umweltmanagementansätze erstellt. Schwerpunkt
liegt auf der Unternehmensebene (Produktion, Verwaltungsrichtlinien). Desweiteren
konzentriert sich das Studium auf die Politik, ihre Institutionen und Organisationen,
welchen Einfluss haben unterschiedliche Nationen und Kulturen auf das
Umweltmanagement. Pflichtpraktikum und Masterarbeit runden das Studium ab.
3.7
Fazit
Es fällt auf, dass
sozialwissenschaftliche (Kommunikation, Netzwerkbildung) und
philosophisch/ethische Inhalte in den Studiengangsbeschreibungen kaum
vorkommen.
4 Erfahrungen einer Reise nach
Kalifornien: Nachhaltigkeitsaktivitäten an der Stanford University, der University of
Redlands sowie neun „Universities of California“ in Berkeley, Davis, Merced,
Los Angeles, Irvine, Riverside, San Diego, Santa Cruz und Santa Barbara
Reisebericht
von Peter Schmuck, IZNE Uni Göttingen, 2.-26. März 2012
Das
erste Windrad mit vertikaler Achse an der US Uni San Diego: PV Anlage mit 30% Wkgsgrad
Küste,
Santa Cruz, von UCSC und Stadt gebaut
und Bioenergie-Brennstoffzelle mit 2.4 MW
4.1 Veranlassung der Reise:
Seit dem Jahr 2000 bin ich im Rahmen des Zentrums für Nachhaltige Entwicklung
der Universität Göttingen (IZNE) in Aktionsforschungsprojekten zum Umbau der
Energieversorgung Deutschlands hin zu dezentraler Versorgung mit erneuerbaren
Energie aktiv. In den letzten Jahren entstand im Göttinger IZNE Team und auch
mit Kollegen der HNEE die Idee, die
erfolgreichen Aktivitäten in Praxisprojekten auch für Lehre und Gestaltung
nachhaltiger Lebensmuster innerhalb der Hochschule
zur Verfügung zu stellen. Die Hochschullleitung der HNEE steht diesem Anliegen
aufgeschlossen gegenüber. Seit 2011 erfährt diese Idee auch durch die neue
Präsidentin der Universität Göttingen Unterstützung. Sie empfahl, schon
bestehende Kontakte zur UC Santa
Barbara, an der auch E.U. von Weizsäcker einige Jahre tätig war,
auszubauen. Von Paul Rowland, Leiter der
Association for Advancement of Sustainability in Higher Education (AASHE.org),
den ich 2011 in Korea kennenlernte, erfuhr ich, dass in den USA zahlreiche Universitäten
Nachhaltigkeitsaspekte in die Lehre sowie Administration aufgenommen
haben. So beschloss ich, aktuelle
Erfahrungen in Deutschland mit unseren
Nachhaltigkeits-Aktionsforschungsprojekten außerhalb
von Universitäten in Kalifornien vorzustellen und dort gesammelte
Erfahrungen mit Nachhaltigkeitsaktivitäten innerhalb
von Universitäten aus erster Hand
aufzugreifen, um sie ggf. für die weitere Entwicklung in Deutschland nutzbar zu
machen.
4.2 Organisation der Reise:
Im Januar 2012 habe ich den Nachhaltigkeitsverantwortlichen einer Reihe kalifornischer
Universitäten angeboten, über die Projekte in Deutschland vorzutragen und über
mögliche Kooperationen bei universtäts-internen Nachhaltigkeitsaktivitäten
(Lehre und Administration) zu diskutieren. Kalifornien wurde gewählt, weil dort
Nachhaltigkeitsaktivitäten, verglichen mit anderen Gebieten der Welt, am
fortgeschrittensten scheinen und in höchster territorialer Dichte vorzufinden
sind. Alle angeschriebenen Personen luden mich an die jeweilige Universität
ein. An fünf Universitäten hielt ich einen Vortrag vor größerem Publikum, an
den anderen Universitäten in Round-Table Gesprächen in kleinerem Kreis. Im
Präsidium des UC Verbundes in Oakland fand ein Austausch mit den für alle 10
UCs Verantwortlichen für Nachhaltigkeit statt. Vorgestellt wurden die
erfolgreichen Aktionsforschungsprojekte unseres Zentrums im Rahmen des
„Göttinger Ansatzes der Nachhaltigkeitsforschung“ sowie die dahinterstehende
psychologische Theorie, nach der Menschen das Potential zu Engagement für
Nachhaltige Entwicklung aufweisen, dessen Nutzung und Entfaltung Gewinne für
das Wohlbefinden bewirkt. Die besuchten Universitäts-VertreterInnen stellten
mir wegweisende Projekte der einzelnen Unis auf Campus-Rundgängen vor. Die
Hauptverantwortlichen für Nachhaltigkeit von jeder der Universitäten habe ich
über ihre Sicht zur Geschichte dieser Aktivitäten, zum
Nachhaltigkeitsverständnis, zur persönlichen Motivation, zu den
Pionierprojekten in Forschung, Lehre, Administration sowie zu studentischen
Initiativen befragt.
4.3 Ergebnisse der Reise bezüglich
meiner Berichte: Die Ergebnisse der
Aktionsforschungsprojekte des Göttinger Teams wurden mit Erstaunen und
Begeisterung aufgenommen. Allerorten wurde Interesse am Fortgang der Arbeiten
auf Landkreisebene sowie an aktuellen Publikationen, z.B. über die
psychologischen Erfolgsfaktoren unserer Projekte, geäußert. An einigen Unis wurde der Wunsch
geäußert, dass wir unsere Erfahrungen über internet-gestützte Lehrmethoden im
Rahmen von „Webinars“ in laufende Kurse in Kalifornien (z.B. über Skype)
einspeisen. Mit der UC Riverside wurde eine solche Kooperation für das FS 2012
bereits vereinbart und ein „Webinar“ über Internet im Mai 2012 durchgeführt.
Mein Angebot, bei Gegenbesuchen in Deutschland unsere Projekte vor Ort
vorzustellen, wurde gern notiert.
4.4 Ergebnisse der Reise bezüglich
der US Erfahrungen: Über die Kontakte mit Paul Rowland von
AASHE wußte ich bereits, dass die Mehrzahl aller US amerikanischen
Universitäten und Colleges Mitglied dieser Vereinigung sind, sich also
zumindest formell zu einer Einführung von Nachhaltigkeitsthemen in Lehre und
Alltag der Universitäten verpflichtet haben. Nun wollte ich herausfinden,
welche Aktivitäten hierzu vor Ort an den besuchten Universitäten tatsächlich
stattfinden und welches Nachhaltigkeitsverständnis vorherrscht. Die Aktivitäten
lassen sich schwierig aufgliedern, da Universitäten als „living laboratories“
für nachhaltige Lebensstile betrachtet werden, also Lehre, Forschung und das
studentische Leben im Campus als eng verwoben gesehen werden. Meinen folgenden
Versuch einer Strukturierung bitte unter diesem Vorbehalt sehen.
·
Nachhaltigkeitsverständnis:
Der Fokus liegt auf ökonomischen Aspekten (und hier insbesondere auf Effizienz-
und Ressourcenreduktionseffekten, die sich leicht mit Wirtschaftlichkeitskriterien
der Unis vereinbaren lassen) sowie auf ökologischen Aspekten (save the nature).
Nach sozialen Aspekten, betreffend internationale Verteilungsfairness habe ich
überall gefragt: Das Problem der ungerechten Verteilung ist allen bewusst, aber
entsprechende Lösungsideen werden als blinder Fleck der Nachhaltigkeit gesehen.
Immerhin kommen fair-trade gehandelte food-Produkte zunehmend in den
Blick, also ein guter Anfang. Wenn ich „voluntary
simplicity“ als potentiellen Lebensstil explizierte, wie ihn Duane Elgin in
seinem Lebenswerk beschreibt und als Lösung des Suffizienz Aspektes der
Nachhaltigkeit vorschlägt – (ihn hatte ich auch besucht) - , stiess ich
weitgehend auf Skepsis, ob man das dem hochgradig konsum-orientierten
Durchschnitts-US-Amerikaner schmackhaft machen könne. Ich verwies dann auf
Elgins Schätzung, nach der bereits 20% der jetzigen US Amerikaner diesen
Lebensstil anstreben, und letztlich bezeugen ja auch bereits die tausenden
radfahrenden Studenten in Davis oder Irvine Ansätze dieses Lebensstils. Am
Rande: Über das genaue Ausmaß an CO2 Emissionen pro Kopf und Jahr wusste
niemand meiner Gesprächspartner genau Bescheid. Ich habe die Durchschnittswerte
für Europa/Deutschland (10 Tonnen) sowie die für Jühnde (4 Tonnen) genannt.
Nach den durchschnittlichen Wert der US Amerikaner (m.W. 20 Tonnen) hat niemand
gefragt ;).
·
Entstehung
der Nachhaltigkeitsaktivitäten: Initiator der
Aktivitäten waren Mitte des vergangenen Jahrzehnts Studierendengruppen an
mehreren Universitäten. Es gelang ihnen, mehrere Uni-Leitungen und auch das
Präsidium der 10 UC Campuses in Oakland von Sinn und Notwendigkeit von
Nachhaltigkeitsaktivitäten in Lehre und im Uni-Alltag zu überzeugen. „If you preach that we all are responsible for future
generations, then we all have to start to behave accordingly today.“ Einige der
Leiter der Studierendeninitiativen sind heute selbst in den neu geschaffenen
„full-time-sustainability management positions“ tätig: Matt St. Clair ist
Sustainability Manager im Office of the President der Univiersities of
California in Oakland oder Fahmida Ahmed ist jetzt Leiterin des Office of
Sustainability der Stanford University.
·
Formelle
Struktur der Aktivitäten: Seit etwa fünf Jahren gibt es an
allen besuchten Universitäten Nachhaltigkeitsabteilungen, welche mit
Personalstellen und Räumlichkeiten ausgestattet sind. Am umfangreichsten schien
mir die Ausstattung an der University of Santa Cruz zu sein: Hier sind auf
einer ganzen Büroetage vier Personen full-time beschäftigt und für acht
Praktikantenstellen gibt es das nötige Büroinventar, weitere 32 Praktikanten
sind mit Nachhaltigkeitsanliegen auf dem Campus unterwegs. Die Stellen sind
meist der Admistration zugeordnet, von wo aus sie dann mit Schwerpunkt
Operations (also uni-interne Aspekte bzgl. energy, food, transportation, waste
reduction, climate protection, fair trade) teilweise auch Koordinationsaufgaben
bezüglich Lehre, Forschung und Studierendenaktivitäten übernehmen. An einigen
Unis (z.B. UC Santa Barbara) gibt es zusätzlich Chancellors Advisory Commitees
on Sustainable Development, also direkt dem Präsidium unterstellte Beiräte, die
sich regelmäßig treffen, um Ziele, Strategien und Evaluationen zu beraten.
Im
UC Verbund gibt es einen Nachhaltigkeitsverantwortlichen im Office of the
President in Oakland, welcher für die Weiterentwicklung eines
Vereinbarungspapiers aller 10 UCs zuständig ist. In diesem Dokument „Sustainable Practices Policy“ sind
die Zielvereinbarungen und Kriterienlisten für alle 10 UCs bezüglich “green
building design, clean energy, climate protection practices, sustainable
transportation, sustainable buildings operations, recycling and waste
management, environmentally preferable purchasing practices” sowie “sustainable
foodservice practices” festgehalten.
·
Finanzierung
der Aktivitäten und Motive der Uni-Leitungen: Die Stellen
werden aus Uni-Mitteln (z. B. Chancellors Green Fund Fonds) sowie an einigen
Unis aus TGIF Mitteln („the green initiative fund“, von Studierendengremien
beschlossene Abgaben der Studierenden für Nachhaltigkeitsanliegen, z.B an der
UC San Diego 3 Dollar je Studierenden pro Semester – bei 28 000 Studierenden
summiert sich das auf 84 000 Dollar pro Semester) bezahlt. Die Motivierung der
Unileitungen, Geld bereit zu stellen, erklärt sich zum einen aus erwarteten
Einsparungen (wenn z.B. in Berkeley die Energieeinsparmaßnahmen die erwarteten
10% erreichen, sind das 1 Mio Dollar pro Jahr bei derzeit 10 Mio Ausgaben für
Strom und Wärme), zum anderen aus dem in den USA bereits bestehenden
Gruppendruck, welcher durch die Teilnahme der Mehrzahl und vor allem der
namhaften Unis an entsprechenden Aktivitäten entstanden ist. Auch die
Erwartungen und Wünsche der angehenden Studierenden („they are our
clients!!!“), für die Nachhaltigkeitsaspekte bei der Entscheidung für eine Universität
immer wichtiger werden, wurden als Motiv von Uni-Leitungen genannt. Eine
Princeton-Studie vergleicht seit einigen Jahren die stetig zunehmenden
Nachhaltigkeits/Umwelt-Motive der Studierenden und entsprechende Leistungen aller US Unis.
Last not least darf man auch von einer intrinsischen Nachhaltigkeits-Motivation
in einigen Uni-Leitungen ausgehen, anders läßt sich zumindest der Beginn dieses
Prozesses schwerlich erklären. An einigen Unis wurde mir bestätigt, dass die
Uni-Leitungen die Aktivitäten nicht nur dulden, sondern aktiv unterstützen (an
der UC Merced unterstützt die Präsidentin eine OCCUPY Gruppe, welche seit
November freie Bildung und eine extra tax für Reiche fordert).
·
Ziele:
Im
UC Dokument „Sustainable Practices Policy“, letzte Fassung vom August 2011 sind
folgende aktuelle Ziele genannt (Beispiele): green building design: Neue Gebäude sollen dem LEED “silver”
Standard genügen (das ist nach Einschätzung von E.U. von Weisäcker nicht sehr
ehrgeizig, selbst der „gold“ Standard ist bezüglich Dämmung nur halb so gut wie
sein Haus im Schwarzwald), clean energy:
bis 2014 10 MW Renewable Energy, climate protection practices: bis 2020
die GHG emissions auf den Stand von 1990 zurückbringen, sustainable transportation: hier werden effizient vehicles und
alternative fuels genannt, aber keine konkreten Vorgaben gemacht, sustainable buildings operations: Jeder
Campus soll ein pilot building nach LEED-EBOM zertifizieren lassen und
campusweit bis Juli 2012 die Zertifizierung mehrerer Gebäude vorbereiten, recycling and waste management:
zero-waste goal bis 2020 (municipal solid waste, das scheint mir das
anspruchsvollste Ziel zu sein, hier stöhnten mehrere Gesprächspartner auf, als
ich sie nach Details fragte), environmentally
preferable purchasing practices: Maximierung des Anteils entsprechender
Produkte, sowie sustainable foodservice practices: 20% sustainable food products
bis 2020.
·
Motivierung
durch Preise und Wettbewerbe: An mehreren Unis
werden intern Preise für vorbildliches Verhalten ausgelobt. Zwischen den Unis
organisierte Wettbewerbe nach unterschiedlichen Kriterien scheinen recht
wirksam zu sein, man wirbt z.B. in Stanford damit, als eine von 4 UCs bzw. von
22 US Unis als „Real Food Pioneer“ ausgewählt worden zu sein. In Stanford wurde
außerdem als wichtiges Motiv für Nachhaltigkeitsaktivitäten genannt, man sei
nach einigen Jahren in Führung von Harvard überholt worden, also müsse man
wieder mehr tun.
·
Aktivitäten
in der Forschung: Hier wurden mir unterschiedlichste
interdisziplinäre Projekte genannt. Auf meine Frage nach Kooperationen mit
Praxispartnern ausserhalb der Universität wurden mir Kooperationen mit
Industriepartnern genannt, z.B. ein Bio-Treibstoff Forschungsinstitut in
Berkeley, das mit 500 Mio Dollar von einem Ölkonzern gesponsort wurde.
Aktionsforschung in der Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Interessengruppen
in kommunalen/regionalen Projekten, wie wir sie machen, habe ich in Ansätzen in
Santa Cruz, Los Angeles, Redlands und Riverside (Kooperation mit der
Stadtverwaltung in EE Projekten) sowie Irvine und Davis (gerade entstehende
Kooperationen mit „Transition Town“ Gruppen) wahrgenommen, an den anderen Unis
nicht.
·
Aktivitäten
in Verwaltung/Administration: Hier gibt es endlos
viele einzelne Aktivitäten bezüglich der o.g. einzelnen Ziele, mit
unterschiedlichen Schwerpunkten an den einzelnen Unis. So gibt es Unis mit
einer ausgeprägten Radfahrkultur, was für US Verhältnisse ziemlich ungewöhnlich
ist, in denen es hauptamtliche Fahrrad-Verkehr Manager gibt, welche die
Radströme intelligent bewältigen (z.B. mit Service Stationen, welche
unentgeltlich Werkzeug bereithalten).
Unis, in denen man auf abfallarme Esskultur mit lokaler Nahrung setzt
(auch wegweisend umgesetzt, in Davis zahlt man einmal „Eintritt“ in die Mensa
und kann dann aus einer Vielzahl leckerer Speisen selbst die Mengen auswählen,
Geschirr wird gespült). Unis, in denen man auf Energiesparen bedacht ist und
mit Visualisierungen des Verbrauchs, mit intelligenten Schaltungen den
Verbrauch reduziert (etwa in Berkeley, Davis und Stanford). Aus unserer Sicht
bei dem riesig hohen Ausgangsniveau des Verbrauchs vielleicht nicht besonders
aufregend, aber wenn man die US Maßstäbe anlegt ist das schon revolutionär,
dass man überhaupt anfängt, zu fragen, ob denn ständig entweder Kühlung oder
Heizung an sein müssen. Erneuerbare Energien sind im Kommen, spielen aber bis
auf wegweisende Einzelprojekte in der Breite bislang nur eine marginale Rolle,
weil die Investition sich aufgrund der immer noch sehr niedrigen Strompreise
(für Unis als Grosskunden oft unter 10 Cent/kwh) erst nach Jahren vielen
auszahlt. Immerhin: In Davis baut man einen Campus-Teil für 5000 Studis, der
soll emissionsfrei werden, indem man Energie aus Photovoltaik und Biogas nutzt
(aus den 20 t bio-waste, die pro Tag auf dem Campus-Gelände anfallen). In Santa
Cruz wurde gerade das erste Windrad mit vertikaler Achse an der gesamten US
Küste errichtet, und in San Diego wurde mir eine PV Solaranlage gezeigt mit
unglaublich hohem Wirkungsgrad von 30% (Nachführung und Brennglastechnik). In
LA und San Diego wird Klärgas und Deponiegas in einer Brennstoffzelle (2.4 MW,
derzeit die größte der Welt) bzw. einem Blockheizkraftwerk enrgetisch
verwertet. Mir fiel die sehr gute Öffentlichkeitsarbeit auf. In allen Unis
waren Aktionen zu Nachhaltigkeitsaspekten öffentlich präsent, mit Plakaten auf
dem Uni-Gelände, in Werbebroschüren der Uni, in einigen Mensen wurde mit großen
Infotafeln auf Herkunft der Nahrung und Nachhaltigkeitsaspekte dabei verwiesen,
etwa auf Nebenkosten bei Importen aus fernen Ländern. Einige Unis haben Gärten,
in denen ökologische Anbaumethoden praktiziert werden, teilweise mit
Permakultur-Elementen, z.B. in Santa Cruz, wo schon seit den 1970ern organic
farming auf dem Campus betrieben wird und mit PV experimentiert wird.
·
Aktivitäten
in der Lehre: Es gibt zahlreiche punktuelle
Aktivitäten, einzelne Kurse mit Nachhaltigkeitsinhalten und
Praktikumsangebote. In einigen Unis
(Santa Barbara, Redlands) gibt es Wahlpflichtangebote (general education
courses) für alle Studierenden, welche Nachhaltigkeitsaspekte beinhalten. Ein
Master- oder PhD Curriculum, welches sich explizit Nachhaltigkeitsanliegen in
der vollen Breite widmet, gibt es an den besuchten kalifornischen Unis noch
nicht, aber schon an einigen anderen US Unis, z. B. an der State University of
San Diego oder der University of Oregon
(„Leadership in sustainability“ graduate certification programme,
olis.uoregog.edu). An der Uni New Mexico (an die ich ebenfalls eine Einladung
erhielt, die ich aus Zeitgründen nicht annehmen konnte), wird ebenfalls gerade an einem entsprechenden
Curriculum gearbeitet, das in Kürze starten soll
(sust.unm.edu). Alle Befragten waren sich einig, dass ein solches
Curriculum erforderlich sei. An der Uni Santa Barbara wird an einem solchen
Curriculum gearbeitet, es soll 2013 einsatzbereit sein (Interdisciplinary PhD,
initiated by the faculty senate sustainability working group, ca. 20
departments sollen beteiligt sein). In Redland ist ein Minor zu Sustainability
in Planung.
An
der UC Santa Cruz finden ähnlich wie Prof. Girschners LOCO Initiativen in
Göttingen interne Sustainability-Sensibilisierungs- bzw. Weiterbildungskurse
statt. Bei dem letzten 3 tägigen off-campus Treffen waren 100 Studierende und
20 Personen vom Staff beteiligt.
·
Studentische
Aktivitäten: In allen Unis sind dutzende Gruppen von
Studierenden aktiv, welche sich Umwelt- und Nachhaltigkeitsaktivitäten widmen.
In Berkeley ist z.B. kürzlich ein von Studenten betriebener Laden mit fair
gehandeltem Öko-Food eröffnet worden. Diese Gruppen arbeiten meist wenig
koordiniert nebeneinanderher, nur an wenigen Unis werden diese Gruppen von den
Nachhaltigkeitsverantwortlichen koordiniert.
·
Uni-übergreifende
Veranstaltungen/Aktivitäten: 2012 findet bereits
der 9. US-weite „Sustainability Summit“ statt, mit 2000 Teilnehmern bereits ein
„Riesen“- Kongress. Es gibt einen Newsletter von AASHE.org, der mehrfach im
Monat differenziert und gut sortiert über die Aktivitäten in den USA berichtet.
In Kalifornien selbst gibt es einschlägige Kongresse, z.B. 2012 einen Higher
Education Sustainability Congress mit 1000 erwarteten Teilnehmern, was auf die
Bedeutung des Themas allein in diesem US-Staat verweist.
4.5 Fazit
Beim
Blick Richtung USA fallen vielen Europäern zuerst die eminenten Treibhausgasemissionen
und die dahinterliegende vermutete allgemeine Sorglosigkeit vieler US Bürger
gegenüber Klima- und Nachhaltigkeitsfragen in Auge. Nun scheint es an der Zeit
zu sein, diesen ersten Eindruck, zumindest für den Bereich der Universitäten,
zu differenzieren. Was ich in den besuchten Universitäten an
nachhaltigkeitrelevanten Aktivitäten beobachtet habe, stellt die Entwicklungen
an den meisten deutschen Hochschulen weit in den Schatten. Auch wenn nach einem
strengen Nachhaltigkeitsmaßstab noch nicht alle Aspekte ausgeleuchtet werden
(unterbelichtet scheinen mir Suffizienz- und soziale Fairness-Aspekte), darf
nach meiner Ansicht die aufwendige und öffentlichkeitswirksame Sensibilisierung
der Studierenden für die vielen nachhaltigkeitsbedeutsamen scheinbar kleinen
Aspekte des alltäglichen Lebens, vom Transport über regionale Nahrung, Wasser-
und Energiesparen bis hin zu fair gehandelten Produkten, darf die Einbindung
von Studis in entsprechende Aktionen sowie deren Verknüpfung mit
Lehraktivitäten (Universität als Laboratorium für zukunftsfähige Lebensmuster)
für deutsche Unis derzeit als vorbildlich gelten. Solcherart Entwicklungen, bei
denen Universitäten auch miteinander bezüglich ihrer Bestrebungen zu
Nachhaltiger Entwicklung in Wettstreit treten, sind in Deutschland bislang
trotz der Kopernikus Charta in den 1990er Jahren sowie des HRK Beschlusses für
Nachhaltige Entwicklung 2008 noch nicht in Gang gekommen. Während an den
besuchten Unis in Kalifornien die dortigen Absolventen, Entscheidungsträger von
morgen, mit Inhalten der Nachhaltigkeitsdiskussion zumindest grob vertraut
sind, kann man in Deutschland derzeit noch an vielen Unis studieren, ohne mit
Nachhaltigkeitsfragen in Berührung zu kommen.
Man
darf m.E. erwarten, dass die Entwicklung in Deutschland und Europa dem US
amerikanischen Muster folgen wird und dass Hochschulen, welche sich als erste
Nachhaltigkeitsaspekten auf den unterschiedlichen Ebenen in Lehre, Forschung
und Administration ernsthaft öffnen, mehr Studierende anziehen werden und somit
auch unmittelbare Wettbewerbsvorteile erwarten dürfen.
5 Empfehlungen
Nachhaltigkeitsmanagement ist eine Thematik, der
nach dem Urteil der befragten Experten heute ein breiter gesellschaftlicher
Bedarf zugrundeliegt. Wenn selbst Organisationen wie der TÜV sowie zahlreiche
Unternehmensberatungen sich mittlerweile des Themas annehmen, darf das als
Signal verstanden werden, dass auch Hochschulen
Ausbildungsgänge zu der Thematik entwickeln sollten.
Die Erfahrungen der Reise in die USA sprechen
ebenfalls für die Entwicklung des Master-Studienganges
„Nachhaltigkeitsmanagement“ an der Hochschule für Nachhaltige Entwicklung in
Eberswalde: Wir können damit in Eberswalde ein auch international sehr
attraktives Angebot schaffen, das möglicherweise auch weltweit Studierende
anzuziehen in der Lage sein wird, da es Angebote in der von uns geplanten
Breite bislang auch in den USA, und wie die Internetrecherche andeutet, auch in
anderen Ländern, kaum gibt. Wenn die Unterstützung dieser Aktivitäten seitens
der Hochschulleitung weiter Unterstützung findet, dürfte das zu einer Sicherung
der guten Position der HNEE in der deutschen Hochschullandschaft beitragen und
deren Attraktivität für die wachsende Zahl nachhaltigkeitssensibilisierter
Studierender und Lehrender aus Deutschland aber auch aus dem Ausland weiter
steigern. Da Labelling- oder Ratingsysteme wie in den USA, die Hochschulen nach
ihrem Engagement für Umwelt- und Nachhaltigkeitsbelange ranken, auch in
Deutschland zu erwarten sind, kann eine Fortführung der geplanten Aktivitäten
zu einer direkten Zukunftssicherung der HNEE beitragen, wie es etwa in
Witzenhausen mit der ökologischen Ausrichtung vor 40 Jahren der Fall war:
Witzenhausen besitzt heute weltweites Renommee.
Der Entwicklungsstand der Unternehmen,
Organisationen und Vereine in Deutschland bezüglich nachhaltiger Entwicklung
ist noch nicht weit vorangeschritten, wenn man „greenwashing“ Aktivitäten und
selektive Berichterstattung über Erfolge bei gleichzeitiger Aussparung nicht
nachhaltiger Praktiken einmal ausklammert. Gleichzeitig besteht aber ein hoher
Handlungsdruck hin zu substantiellen Veränderungen seitens breiter Kreise der
Gesellschaft, welcher die Zuspitzung globaler
wirtschaftlicher, ökologischer und Fairness-Probleme seit der
Rio-Vereinbarung bekannt ist. Dies stellt eine weitere begünstigende Bedingung
dar, den Studiengang
Nachhaltigkeitsmanagement an der HNEE zügig zu starten, da Absolventen
nach Meinung der Experten dringend gebraucht werden.
Wenn man den Bewerberkreis breit halten und allen,
vor allem intrinsisch an einer Nachhaltigkeits-Transformation der Gesellschaft
interessierten Personen ein Studium ermöglichen möchte, sollte der Studiengang
nicht durch Studiengebühren seitens der Studierenden finanziert werden. Eine
Finanzierung aus dem Hochschulhaushalt hätte auch den Charme, dass der
Studiengang „Nachhaltigkeitsmanagement“, der von aussen sicher als ein
„Flaggschiff“-Studiengang einer Hochschule für Nachhaltige Entwicklung gesehen
wird, dem Image der Hochschule zuträglich wäre. Wählt man ein Finanzierungsmodell
durch Studiengebühren oder Sponsoren, besteht die Gefahr, dass man dann im
Bemühen um Sponsoring von den Sponsoren abhängig wird, die inhaltlichen
Freiräume verliert und der Studiengang zu einer Anleitung für „greenwashing“
verkommt. Wenn die Bereitschaft von Unternehmen, in Nachhaltigkeits- Bildungs-
und Forschungsförderung zu investieren, genutzt wird, sind hier klare
Regelungen für die Freiheit von Forschung und Lehre von den Interessen der
Förderer erforderlich. Sauberer scheint jedoch ein Herangehen, das auf die Finanzierung
des geplanten Studiengangs durch öffentliche Mittel setzt, da die
Nachhaltigkeitstransformation im allgemeinen gesellschaftlichen Interesse liegt
und daher nicht existenziell von privaten Mitteln abhängig gemacht werden
sollte.
Von den
Befragten werden umfangreiche Umsetzungsschwierigkeiten im
Nachhaltigkeitsmanagement berichtet. Auch unter dieser Perspektive wird
deutlich, dass gut ausgebildete Fachleute, welche über entspechendes Grundlagenwissen,
die erforderlichen „soft skills“ sowie Praxiseinblicke verfügen, dringend
gesucht sind.
Die ermittelten Nachhaltigkeits-Verständnismuster in
den Unternehmen sowie beratenen Unternehmen der Befragten sind sehr allgemein,
vielfältig und wenig einheitlich. Daraus folgt für die Gestaltung des
Studienganges, dass von Beginn an hinter den modernen Wortmarken des
Themenfeldes, die oft inflationär und auch irreführend verwendet werden,
gemeinsam der rote Faden des Nachhaltigkeitsdiskurses erarbeitet und
reflektiert werden sollte. Darüber hinaus sollten Interessensgruppen und
Motive, den Begriff „Nachhaltigkeit“ zu verwässern und zu entwerten,
reflektiert und offengelegt werden.
Bei der Auswahl der Bewerber für einen Studienplatz
sollte neben den formalen Voraussetzungen vorrangig auf intrinsische Motivation
für Nachhaltigkeitsanliegen geachtet werden, da sich diese nur schwerlich erst
während des Studiums herstellen läßt, diese aber Voraussetzung für ein
erfolgreiches Studium und vor allem für eine im Sinne von Nachhaltigkeit erfolgreiche
Tätigkeit nach dem Studium in den verschiedenen Bereichen der Gesellschaft
darstellt.
Das Studium sollte sich an einem systemischen,
zyklischen Nachhaltigkeits-Management-Verständnis orientieren, bei dem weniger
konkrete und fertige Tools zu vermitteln sind sondern vielmehr deutlich wird,
dass solche Tools in konkreten Anwendungsfällen häufig erst zu entwickeln sind,
Ziele zu bilden und anzupassen sind, Indikatoren und Monitoringsysteme zu
schaffen und zu elaborieren sind. Schwerpunkt der Ausbildung sollte also bei
den Prinzipien liegen, welche der Transformationanforderung zugrundeliegen:
Transparenz, Kommunikation, Netzwerkbildung.
Bei der Frage nach der Zielgruppenbreite gibt es
zwei denkbare Szenarien: Möglichst breite Studierendengruppen, welche das
Interessenspektrum der Gesellschaft abbilden: Studierende aus Unternehmen,
Organisationen, Vereinen und Verwaltungen. Für dieses Modell spricht, dass
bereits durch die Zusammenstellung der Studierendengruppe die Vielfalt an
Perspektiven gesichert ist, welche die Studierenden später in der Praxis zu
erwarten und zu bewältigen haben. Ein Nachteil könnte darin bestehen, dass man
bei der Vermittlung von Fachwissen nicht auf spezifische Themen aller
potentiell interessierenden Aspekte für diesen Personenkreis eingehen kann,
etwa auf Besonderheiten innerhalb der Automobilbranche, auf
Verwaltungsbesonderheiten auf Landkreisebene oder auf den internationalen
Rechtsrahmen für Aktivitäten einer Umwelt-NGO. Das zweite Szenario würde
Studierende aus der Industrie, aus der Verwaltung oder von Vereinen jeweils
bündeln und hätte damit den Vorzug, auf spezielle Themen dieser Studierenden
eingehen zu können. Nachteil wäre allerdings, dass die Multiperspektivität der
Nachhaltigkeitsthematik schwieriger zu vermitteln wäre, weil eben nur eine
Perspektive im Zentrum stünde. Sofern „Strategisches Nachhaltigkeitsmanagement“
angezielt wird, sollte aus Sicht des Autors das erste Szenario mit gemischten
Studierendengruppen präferiert werden. Für Generalisten dieser Art fehlen in
Deutschland und weltweit Ausbildungsmöglichkeiten, was möglicherweise einer der
Gründe ist, dass trotz der Agenda 21 Vereinbarung seit 20 Jahren wesentliche
globale Nachhaltigkeitskriterien sich weiter verschlechtern und die Wende nach
wie vor nicht in Sicht kommt.
Die
Alleinstellungsmerkmale des geplanten Studienganges (vgl. die
Studiengangsanalyse anderer Studiengänge mit ähnlichem Anspruch), nämlich die
vergleichsweise starke Betonung sozialer und philosophisch/ethischer Aspekte
sowie die Verankerung in der Praxis, sollte auch aus der Sicht vieler der
Befragten beibehalten werden. Nur wenn den Absolventen die ethischen
Begründungsmuster für Nachhaltigkeitsintentionen und die sozialen Zusammenhänge
(neben den ökologischen und ökonomischen Aspekten) klar sind und sie während
des Studiums bereits permanent mit der
Praxis „geerdet“ sind, haben sie eine Chance, in dem hochdynamischen und
fluktuierenden Feld der Nachhaltigkeitsdiskussion eigene Positionen begründen
und vertreten zu können und somit andere Menschen für gemeinsam reflektierte
Vorhaben gewinnen zu können.
Die von den Befragten genannten Schwachstellen des
Studiengangs (s. 2.3.4) sollten im Vorbereitungsteam reflektiert und ggf. in
die bereits bestehende Struktur des Studienganges eingefügt werden. Insbesondere
das eigene Praxisprojekt von Beginn des Studiums an und die durchgängige Berücksichtigung von Ethik
und Partizipationsprinzipien sollte hier aufgegriffen werden.
Literatur
Breitzke, C. (2007).
Erstellung eines berufsbezogenen Anforderungs- und Persönlichkeitsprofils für
die akademische Weiterbildung im Nachhaltigkeitsmanagement deutscher
Großunternehmen. Unveröffentlichte Diplomarbeit an der TU Berlin.
Mayring, P. (2000).
Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken (7. Aufl.). Weinheim: Dt.
Studien Verlag.
Mayring, P. (2002). Einführung in die
qualitative Sozialforschung (5., überarb. u. neu ausgestattete Aufl.).
Weinheim; Basel: Beltz Verlag.
Witzel, A. (2000). Das
problemzentrierte Interview [26 Absätze]. Forum Qualitative Sozialforschung /
Forum: Qualitative Social Research [On-line Journal], 1(1). Verfügbar über:
http://www.qualitative-research.net/fqs-texte/1-00/1-00witzel-d.htm [03.12.2006].